Tradition und Fortschritt verbinden
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6. Zusammenfassung:
Methodologie praktischer Politikwissenschaft
Die zentrale Fragestellung lautete: Wie kann ein
genuin praktischer (normativer, pragmatischer und
technischer) Diskurs, der weit mehr als die Interpretation bzw.
normativ-analytische Reflexion von normativen Texten umfasst, innerhalb der Politikwissenschaft
entwickelt werden?
Der Fokus der Arbeit wurde auf die
Methodologie bestehend aus wissenschaftstheoretischen Grundlagen (Grenzen,
Kriterien und
Eigenschaften wissenschaftlicher Diskurse) sowie wissenschaftlichen Werkzeugen (Begriffe, Sätze, Theorien, Logiken, Argumentationsweisen, Methoden und methodische Ansätze) gelegt.
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Am Beispiel der Politikwissenschaft soll gezeigt
werden, dass politisch-praktische Fragestellungen mit einer
reduktionistischen Methodologie innerhalb eines empirischen Diskurses nicht adäquat erörtert
werden können, sondern dass dafür ein
genuin praktischer Diskurs mit einer pluralistischen Methodologie
notwendig ist.
Wenn es um Beschreibungen,
Erklärungen und Prognosen geht (empirisches Wissen), dann gibt es in der Regel innerhalb der
Wissenschaft über die Werkzeuge
einen Konsens. Ganz anders sieht es bei praktischen
(normativen, pragmatischen und technischen) Antworten (praktisches
Wissen) aus, wenn es um
die Begründung von
Handlungsmaximen
(Leitlinien, Normen, Prinzipien, Werte und Ziele z.B. das
Sozialstaatspostulat des Grundgesetzes), Handlungsstrategien (z.B. staatliche,
beitrags- oder steuerfinanzierte Sozialversicherungen, private Vorsorge),
Handlungsinstrumente
(z.B. Grundsicherung, Sozialversicherungen)
oder Handlungsanweisungen (z.B. Renteneintrittsalter, Höhe der
Grundsicherung) oder praktische Urteile geht. Hier wird
von einigen Wissenschaftlern die Möglichkeit überhaupt eines wissenschaftlichen Vorgehens
bestritten.
Die methodologischen Auseinandersetzungen führten im Positivismusstreit zu einem Aneinander-Vorbeireden. Eine Unvereinbarkeit zwischen einer empirisch-analytischen
auf der einen und einer hermeneutisch-verstehenden Vorgehensweise auf der
anderen Seite wurde sowohl von Anhängern einer empirischen Sozialwissenschaft
als auch von Vertretern einer Geistes- oder Kulturwissenschaft
behauptet. Mittlerweile wird sowohl die Komplementarität zwischen
analytisch-deduktiven und hermeneutisch-verstehenden Argumentationsweisen als auch die Triangulation, d.h. die Anwendung von quantitativ-metrischen
und qualitativ-klassifikatorischen Methoden auf ein Phänomen, im
Mainstream nicht nur anerkannt, sondern gefordert.
6.1 Empirische sowie praktische Wissenschaften am Beispiel der
Politikwissenschaft |
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Eine praktische (normative, pragmatische und technische) Politikwissenschaft kann nur komplementär zu einer
empirischen (deskriptive, explanative und prognostische)
Politikwissenschaft entwickelt werden. Dabei ist ein genuin praktischer Diskurs darauf
angewiesen, erstens auf die Ergebnisse der empirischen
Politikwissenschaft zurückzugreifen und zweitens
vorhandene wissenschaftliche Werkzeuge zu verwenden, einige weiterzuentwickeln
sowie neue zu entdecken und zu begründen.
Auf Grund der strukturellen Unterschiede
zwischen
Werkzeugtypen, Wissensformen und Wissenschaften umfassen Theorien der Politik
sechs Operationen. Drei empirische (deskriptive, explanative und prognostische) Operationen beziehen sich auf das, was ist, und drei praktische (normative, pragmatische und technische) Operationen
auf das, was sein soll. Bei jeder dieser Operationen werden andere
Ziele
verfolgt und andere wissenschaftlichen Werkzeuge eingesetzt (vgl. 2. Kapitel: Wissenschaftliche Operationen am Beispiel der Politikwissenschaft).
6.2
Praktisch-politische Begriffe einer praktischen Politikwissenschaft |
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Folgende neue bzw.
weiterentwickelte Begriffe für eine praktische
(normativer, pragmatischer und technischer) Politikwissenschaft wurden vorgestellt: Handlungsmaximen, Handlungsstrategien, Handlungsinstrumenten, Handlungsanweisungen und praktische Urteile (vgl. 3. Kapitel: Praktisch-politische (normative, pragmatische und technische) Begriffe).
6.3 Methodische Ansätze einer praktischen Politikwissenschaft |
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Folgende neue bzw. weiterentwickelte methodische Ansätze für eine praktische
(normativer, pragmatischer und technischer) Politikwissenschaft wurden vorgestellt: Synoptischer,
normativer, pragmatischer, technischer und dezisionistischer Ansatz (vgl. 4. Kapitel: Methodische Ansätze einer praktischen (normativen, pragmatischen und technischen) Politikwissenschaft).
6.4 Beitrag wissenschaftlicher
Politikberatung zum politischen Diskurs:
Ein komplementäres Modell der Politikberatung |
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Nicht nur viele Wissenschaftler, sondern auch
Politiker bevorzugen das pragmatische
Modell der Politikberatung. Die EU-Kommission
greift auf dieses Modell zurück und plädiert für eine
Demokratisierung der Expertise (democratising expertise) und
eine
Verwissenschaftlichung der Demokratie (expertising democracy).
Wissenschaft
und Politik sollten als komplementäre Systeme mit unterschiedlichen Aufgaben
und Kompetenzen aufgefasst und verstanden werden.
Aufgabe der Wissenschaft:
Mit Hilfe wissenschaftlicher Werkzeuge
Diskurse führen und
hypothetische Antworten auf politisch-praktische Fragen in Form von
empirischen und
praktischen Wissen
begründen.
Aufgabe der Politik oder genauer gesagt politischer Institutionen: Mit Hilfe von politischen
Diskursen und politischen Entscheidungsverfahren definitive Antworten in Form von
Entscheidungen
treffen und damit gleichzeitig die Haftung für alle mit einer
Regulierung verbundenen Folgen übernehmen (vgl. 5. Kapitel: Wissenschaft und Politik: Komplementäres Modell der Politikberatung).
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